„The Voice“-Star Seyran im Interview über seine Musik, fehlende Akzeptanz und Diskriminierung

Mit seiner Single „My name is loneliness“ gab der „The Voice of Germany“-Star Seyran einen ersten Einblick in seine kommende EP. In seiner Musik lässt der aserbaidschanische Sänger modernen Pop mit kaukasischen und orientalischen Einflüssen verschmelzen und kreiert zusammen mit seiner 4-Oktaven-Stimme einen Song, der nicht nur musikalisch außergewöhnlich ist, sondern auch eine ganz besondere Botschaft vermittelt. Wir haben mit Seyran im Interview über seinen neuen Song gesprochen und wie er sich mit seiner Musik gegen Diskriminierung der LGBTQ-Szene in seiner Heimat einsetzen möchte. Gerne stellen wir euch das Interview lizenzfrei zur Verfügung.

 

Deine neue Single trägt den Titel „My name is loneliness“. Was bedeutet der Song für dich?

Seyran: Dieser Song ist für mich sehr persönlich. Ich war einige Jahre auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und habe mir viele Fragen gestellt. Unter anderem wieso funktionieren manche Beziehungen und manche nicht und ist es tatsächlich so, dass wir uns selbst lieben, akzeptieren und mit uns selbst Frieden schließen müssen, bevor wir andere Menschen akzeptieren und lieben können? Solange das nicht der Fall ist, kann es immer wieder zu persönlichen Katastrophen kommen – in Beziehungen, im Job, im Alltag. Alles fängt in uns an, wir sind der Spiegel des Universums und alles, was wir in uns tragen, tragen wir auch nach außen.

„My name is loneliness“ ist die erste Auskopplung aus deiner kommenden EP. Kannst du schon mehr darüber verraten?

Seyran: Das wird eine sehr kreative und interessante EP. Ich bin eine freie Künstlerseele und die Songs habe ich zum Teil während der ersten Phase der Corona-Krise geschrieben. Zum Teil sind es aber auch alte Songs, die ich vor Jahren schon geschrieben habe. Ich arbeite mit zwei tollen Produzenten aus Ecuador und aus Aserbaidschan zusammen. Das ist eine sehr kreative und multikulturelle Arbeit. Auf der EP hat jeder Song eine Message. Ich möchte keine Partysongs singen, sondern durch meine Musik den Menschen etwas geben und etwas Tiefgängiges zurücklassen. Das ist meine Mission.

Du hast bereits ein Album in deutscher Sprache produziert, bevor du zu deinen aserbaidschanischen Wurzeln zurückgefunden hast. Wie kam es zu der Entscheidung, deine neuen Songs auf Englisch zu singen?

Seyran: Meine ersten Songs habe ich auf Russisch und Aserbaidschanisch gesungen und auch damals schon Texte auf Englisch geschrieben. Aber wenn man in einem Land wie Aserbaidschan oder Russland lebt, hat man eher Komplexe, in einer anderen, fremden Sprache zu singen. Zudem gibt es schon so viele englisch singende Künstler. Aber dann dachte ich mir, jeder Sänger hat sein eigenes Publikum und auch ich habe meine Zuhörer, die meine Musik und meine Stimme mögen und jeder Sänger hat eine Seele und seine Songs spiegeln seine Seele wider – egal in welcher Sprache. Und so habe ich während der Corona-Zeit meine Songs von damals aus der Schublade genommen. Die Resonanz ist sehr gut – auch in den Ländern, in denen ich früher unterwegs war. Englisch ist eben eine universelle Sprache und es macht mir viel Spaß, auf Englisch zu singen.

An deinem Musikvideo haben viele Menschen aus der LGBTQ-Community mitgewirkt. Welche Message möchtest du mit dem Video vermitteln?

Seyran: Für mich ist es tatsächlich ein wichtiges Thema. In Deutschland ist es relativ normal, seine Orientierung auszuleben – obwohl es natürlich auch noch Vorbehalte gibt. In Aserbaidschan, Russland oder arabischen Ländern ist das aber etwas ganz anderes. Die Akzeptanz in der Gesellschaft ist quasi Null! Eine Beziehung ist ausschließlich eine Beziehung zwischen Mann und Frau. Dass es auch noch etwas anderes gibt, wird nicht nur nicht wahrgenommen und nicht akzeptiert, sondern abgelehnt. Deshalb wollte ich das Thema in meinem Video sichtbar machen und sagen „Hey Leute, wir sind viele Menschen, wir sind unterschiedliche Menschen und es gibt nun mal auch andere Lebensformen.“ Alle Minderheiten, sei es aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Behinderungen sind ein Teil jeder Gesellschaft und sollten nicht aufhören, um Akzeptanz kämpfen.

In deiner Heimat Aserbaidschan und vielen anderen Ländern sind LGBTQ-Themen immer noch ein Tabuthema. Welche Rolle spielt das für dich und deiner Musik?

Seyran: Für mich war es wichtig, dass auch die Menschen in meiner Heimat, die meine Musik hören, sehen, dass da jemand ihresgleichen ist. Jemand, der keine Angst hat, sich mit seiner Musik und in seinem Video mit diesem Thema auseinanderzusetzen und Menschen zu zeigen, die anders sind. Wenn ich damit auch nur die Meinung von ein paar Leuten ändere, bin ich ein glücklicher Künstler! Es ist einfach wichtig, dass Menschen in einer Gesellschaft offen sind. Denn meiner Meinung nach ist das grundsätzliche Problem die fehlende Akzeptanz. Wir haben ein Problem damit, andere sexuelle Orientierungen zu akzeptieren, Kollegen, Nachbarn und letztlich auch uns selbst zu akzeptieren. Mehr Akzeptanz bedeutet weniger Diskriminierung.

Letztes Jahr hast du an der Show „The Voice of Germany“ teilgenommen. Wie war das für dich auf der großen Fernsehbühne zu stehen?

Seyran: Das war eine tolle Erfahrung für mich, auch wenn es nicht meine erste Erfahrung auf einer großen Bühne war. 2008 habe ich in Russland unter anderem am russischen Song Contest mit vielen mitwirkenden Ländern und einer Liveübertragung teilgenommen. Dort habe ich einen „Special Price“ gewonnen. Auch beim Balkan Song Contest war ich schon mit dabei. Aber ein Auftritt im deutschen Fernsehen – das war schon cool. Und ich hatte eine tolle Unterstützung dabei. Meine Freunde haben mich begleitet, meine Mama war mit dabei und wir haben die Zeit in Berlin gemeinsam genossen.

Welche Erfahrungen hast du für dich persönlich und für deine Musikkarriere mitgenommen?

Seyran: Ich habe auf jeden Fall mitgenommen, dass ich mir selbst und meiner Musikrichtung treu bleibe. Letztlich sind wir Künstler diejenigen, die die Show zu dem machen, was sie ist. Es ist eine Win-Win-Situation: Das Fernsehen gibt uns eine Plattform, um uns zu präsentieren. Dabei besteht aber die Gefahr, dass die Künstler sich dadurch selbst verlieren. Ich bin mir treu geblieben und ich weiß, was ich singen möchte und was ich nicht singen möchte. Es war eine interessante Erfahrung und eine Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln. Mir ist dadurch noch klarer geworden, wo ich musikalisch hin möchte.

Gibt es etwas, dass du einem angehenden Singer-Songwriter gerne mit auf den Weg geben möchtest?

Seyran: Auf jeden Fall! Wir sollten nicht hinter möglichem Erfolg herlaufen, sondern uns unbedingt treu bleiben. Letztlich fängt alles in uns selbst an. Wenn wir uns treu sind und wenn wir das machen, was wir lieben, was uns unser Herz und unsere Seele sagen, dann ist das schon ein Erfolg. Egal, ob dich zwei oder drei Personen hören oder Millionen – fange deinen Tag mit einem Gefühl der Zufriedenheit an, mit dem Gefühl, dass du auf deinem Platz bist, dass du tust, was du möchtest. Dann ist das ein großer Erfolg. Genau das habe ich jetzt in meinem Leben und das kann ich jedem angehenden Singer-Songwriter empfehlen.

 

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