Mit „Homemade“ veröffentlichte Jay Gahr alias JAYTOWN seine erste eigene EP. Von Feel-Good-Vibes über Wortwitze und Sportreferenzen bis hin zu Texten, die zum Nachdenken anregen, macht der Mainzer Künstler, der aktuell in Frankfurt am Main lebt, vor keinem Thema halt. Vor kurzem erschien das Video zur Single „Just Wrong“, die sich mit strukturellem Rassismus in unserer Gesellschaft beschäftigt, nun legte er mit dem Musikvideo zu „Der Boi“ noch einmal nach. Wir haben mit Jay im Interview über seine Musik und seine EP „Homemade“ gesprochen.
Für deine Debüt-EP „Homemade“ hast du mit deinem musikalischen Counterpart Ocoustic zusammengearbeitet. Wie habt ihr euch kennengelernt und woher wusstet ihr, dass ihr musikalisch so gut harmoniert?
JAYTOWN: Wir kannten uns eigentlich nur oberflächlich. Dann habe ich irgendwann ein Video von einem Song von ihm auf YouTube gesehen und war direkt geflasht. Ich wusste, dass er irgendwas mit Musik macht, aber der Song war krass. Ich hab ihm direkt geschrieben – sowas in die Richtung „Wieso sagst du mir nicht, dass du SO Musik machst?“. Er meinte direkt „Lass mal was machen!“. Dass wir musikalisch matchen war irgendwie direkt klar, das haben wir nicht hinterfragt. Wir haben es einfach gemacht und es hat Bock gemacht. Wichtiger war sowieso, dass wir von Anfang an persönlich harmoniert haben. Wenn du so ein Projekt mit dem Anspruch, den wir an uns haben, zusammen umsetzt, hast du täglich miteinander zu tun. Das funktioniert nicht, wenn es menschlich nicht passt.
Die 5 Tracks auf der EP spiegeln eure Werte wie Equality, Positivity, Hustle und Focus wider. Wie genau habt ihr das umgesetzt?
JAYTOWN: Diese Werte haben wir zwar auch in den Tracks durch Inhalte und Moods versucht zu vermitteln. Aber vor allem haben wir diese Werte einfach beim Arbeiten an dem Projekt selber gelebt und in alles, was man bis jetzt hören und sehen kann, reingesteckt. Wo wir es selber zu spüren bekommen haben war, wenn wir zusammen mit anderen an irgendetwas gearbeitet haben. Jedes Mal war da was in der Luft, was alle gespürt haben. Es war so nice zu sehen, dass auch andere für unsere Vision, als das alles nur eine Idee war, so viel von sich aus eingebracht haben. Und niemand wollte etwas dafür haben oder so. Die haben es einfach gemacht, weil wir alle immer eine geile Zeit zusammen hatten.
Mit „Game Winner“ hast du einen ersten Einblick in die Debüt-EP „Homemade“ gegeben. Warum hast du gerade diesen Song für deinen Startschuss ausgewählt?
JAYTOWN: Der Song, aber vor allem auch das Video, spiegeln den Teil von mir wider, den Menschen als erstes von mir kennenlernen, bevor es irgendwie in die Tiefe meiner Persönlichkeit geht. Ich nehme mich selber nicht zu ernst, verbreite gerne gute Laune und habe die Menschen, die im Video zu sehen sind gerne um mich herum. Den Teil von mir wollte ich den Leuten einfach zeigen. Da war es für mich irgendwie klar, dass wir mit dem Song loslegen.
Der Song wird nicht nur von dem Vocal Sample „I have to wear supreme dresses and sneakers” getragen, sondern wurde auch in deinem Kleiderschrank aufgenommen. Wieso ausgerechnet zwischen Shirts und Sneakers?
JAYTOWN: Bei mir zu Hause hatte es sich angeboten, weil der Raum eigentlich nur zum Umziehen genutzt wurde. Das ist wirklich ein kleiner Raum, in dem Kleiderstangen und Schuhregale drin stehen. So konnte ich einen Ort schaffen, wo ich in Ruhe Musik machen kann und auch mein Setup nicht stört. Die Klamotten überall dämmen zusätzlich auch noch, was für den Sound der Aufnahmen, aber auch beim Mixen auf jeden Fall geholfen hat. Keine Studio-Qualität, aber trotzdem fresh.
Die Inspiration für „Just Wrong“ war unter anderem der grausame Tod von George Floyd, der in den USA durch zwei Polizisten sein Leben verlor und du thematisierst in dem Song deine eigenen rassistischen Erfahrungen als Schwarzer Mensch in Deutschland. Möchtest du mehr darüber erzählen?
JAYTOWN: Darüber könnte ich wahrscheinlich ein Buch schreiben. Als ich das Video von George Floyd das erste Mal gesehen habe, kam ich gerade von einer ungerechtfertigten Polizeikontrolle nach Hause. Dadurch war ich emotional krass geladen und in dem Moment auf meine eigene Art betroffen. Das hört sich vielleicht bisschen dramatisch an, aber ich dachte mir nur „Das hätte mir eben auch passieren können“. Das war ein komisches Gefühl, das auf jeden Fall auch von viel Wut begleitet war. Und die verspüre ich echt nicht oft. In der Zeit hatte ich auch gerade angefangen mich intensiver mit Rassismus auseinander zu setzen und das Buch „Exit Racism“ von Tupoka Ogette hat mir dabei sehr viel geholfen. Dadurch, dass ich verstanden habe, wie und wo sich der Rassismus überall in unserer Gesellschaft versteckt, wurden mir auch viele Situationen in meinem Leben bewusst, in denen er mich schon begleitet hat.
Diese Mischung aus Wut, Verzweiflung und Verarbeitung dieser Situationen hat den Text für „Just Wrong“ aus mir herausgeholt. Menschen, die mich kennen, kennen mich genau so eigentlich nicht und waren sehr überrascht. Aber da ist einfach alles in mir hochgekocht, was ich mein ganzes Leben lang nicht ausgesprochen habe. Ich musste einfach mal alles rauslassen. Da gibt es natürlich auch noch viel mehr. Aber ich habe ja noch einen langen Weg vor mir, wo ich das safe noch öfter in meinen Tracks thematisieren werde.
Jeder Song hat eine persönliche Bedeutung. Gibt es einen Song, der dir besonders am Herzen liegt?
JAYTOWN: Ich könnte nicht sagen, welchen Track ich am besten finde. Aber besonders am Herzen liegt mir auf jeden Fall „Basquiat“. Der Vibe is einfach anders, diese Chords die Oli gespielt hat, gehen einfach richtig rein. Irgendwie macht man sein Herz auf. Das habe ich auch gemacht als ich den Text geschrieben habe. Ich glaube, wenn Leute den Worten genau zuhören, sich auf die Zeilen einlassen und sich wirklich damit auseinandersetzen, was die Worte für sie und ihr Leben bedeuten, würden so ein paar Probleme für sie persönlich, aber auch für ihre Mitmenschen gelöst werden. Ich weiß, dass es bei mir genau das tut. Der Track hilft auch mir, den Blick auf die Dinge um mich herum immer wieder zu schärfen und meine ganz persönlichen Rückschlüsse daraus zu ziehen, wie ich mein Leben leben will.
Nach dem Release ist vor dem Release: Hast du schon Pläne für die Zukunft?
JAYTOWN: Wir haben gerade den Track fertiggestellt, den wir bald releasen werden und bis Ende des Jahres kommt noch das ein oder andere. Für 2023 ist schon wieder ein größeres Projekt geplant. Damit würde ich gerne direkt anfangen, weil ich so Bock drauf habe. Aber alles zu seiner Zeit und eins nach dem anderen.
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Dass die Musik Jay schon sein Leben lang begleitet, hat er seinem Vater zu verdanken: Als US-Soldat aus Seattle stationiert in Mainz, zog der passionierte DJ in den 90ern durchs Land und brachte ihm schon in jungen Jahren die Liebe zur Musik bei. Damals prägten seinen Musikgeschmack vor allem 80s Soul, 90s Hip Hop und RnB, heute beeinflussen neben vielen weiteren Künstlern Rapper wie J. Cole, Samy Deluxe und Cro seinen eigenen Stil. Als Hommage an diese Zeit ist der kleine Jay mit seinem Vater auf dem Cover zu sehen, mit dem er seine Verbundenheit zu dieser Zeit ausdrückt.
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