Interview mit Rapper Nic Knatterton: „Ich habe mich früher oft von meinen Gefühlen mitreißen lassen.“

Erst vor kurzem erschien das Album „Schnitzereien auf einer Parkbank“ von Nic Knatterton. Auf dem 13-Tracks starken Album dreht sich alles um die Vergangenheit und die Gegenwart.  Wir trafen den Aachener Rapper zum Interview. Darin erzählt er, warum es 28 Jahre dauerte, bis er seine erste Solo-Platte veröffentlichte und warum politische Statements im Rap noch genauso wichtig sind wie früher. Passend dazu feiert der Titeltrack des Albums Premiere auf dem YouTube-Kanal des Rappers.

 

Nach 28 Jahren als Musiker hast du vor kurzem dein erstes Solo-Album veröffentlicht. Warum genau jetzt und nicht schon vor zehn Jahren?

Nic Knatterton: Das ist eine gute Frage. Vor zehn Jahren bin ich noch fleißig mit meiner lieben Frau Johanna durch die Weltgeschichte getourt. Vor zehn Jahren hatten wir auch gerade erst zwei Kinder. Da war es für sie noch möglich mit mir zusammen Musik zu machen. Ich habe es auch genossen, über die Jahre hinweg mit ihr einige gemeinsame Alben aufzunehmen. Das war eine spannende Zeit für uns. Nachdem ich dann im vergangenen Frühjahr mein Mixtape „Wie die Dinge so sind“, eine Collage verschiedener Songs der vergangenen fünf Jahre, veröffentlicht hatte, habe ich im Herbst 2018 Juri Dutt aus Stuttgart kennengelernt. Da mir seine Beats sehr taugen, bin ich in eine Art Schreibflow geraten und habe dann innerhalb eines guten halben Jahres meine „Schnitzereien auf einer Parkbank“ zusammengeschustert. Nach den ganzen Kollabo-Projekten und Mixtapes auf „Fremdbeats“ endlich mein erstes ganz eigenes Album, auf welches auch nur die passensten Songs Eingang gefunden haben. Der Rest wurde aussortiert.

Wie hast du die Arbeit an deinem Solo-Debüt wahrgenommen? Fiel es dir schwer, ganz allein daran zu arbeiten?

Nic Knatterton: Da mir die Beats von Juri Dutt von Anfang an sehr ins Ohr gingen und ich zudem auch die Arbeit mit DJ Erik Muskal, den ich ebenfalls über Juri kennengelernt habe, sehr spannend fand, ging mir das Schreiben der Songs relativ leicht von der Hand. Auch weil ich die Beat- und Themen-Auswahl, da ich alleine gearbeitet habe, relativ kompromisslos gestalten konnte, war ich sehr frei, meiner Kreativität auch den Raum zu geben, den sie zu ihrer vollen Entfaltung gebraucht hat. Und dazu noch die Inspiration durch diesen Neunzigerjahre-Flair. Insgesamt war die Arbeit am Album eine gute Zeit, die ich auch rückblickend sehr genossen habe. Und das nicht zuletzt, weil auf Juri und Erik auch organisatorisch immer Verlass war.

Du hast in den vergangenen Jahren ständig mit anderen Künstlern musikalische Projekte realisiert. Welches ist dir in besonderer Erinnerung geblieben?

Nic Knatterton: Das ist wirklich sehr schwer zu sagen, da jedes Album und jede EP ein kleines Kunstwerk für sich ist. Teilweise folgen wir da völlig unterschiedlichen Inspirationen. So habe ich die Projekte mit Johanna natürlich immer sehr geliebt, wo viel schon fast klassisch orientierter Gesang im Vordergrund stand. Aber auch die gemeinsame Arbeit mit AmmoEinser an dem Album „Buddhas by Nature“ hat sehr kostbare Musik vorgebracht, wie ich finde. Und selbstverständlich nicht zu vergessen die „Konfitüre EP“. Mit der Marmeladenfabrik arbeite ich ja bis dato sehr eng zusammen, da ich bei Live-Auftritten im Grunde nur noch mit dieser Band spiele, wofür ich sehr dankbar bin. Vermutlich könnte ich jetzt ewig so weiter machen und die Glanzpunkte der einzelnen Projekte hervorheben, aber belassen wir es mal für den Moment hierbei.

Auf deinem aktuellen Album „Schnitzereien auf einer Parkbank“ blickst du öfter auf die guten alten Zeiten zurück. Was war früher besser als heute?

Nic Knatterton: War denn früher tatsächlich irgendetwas besser als heute? Ich beleuchte auf dem Album zwar auch meine Vergangenheit, aber wie man beispielsweise beim Titelsong hört, war die sicherlich nicht immer nur schön. Andererseits sind alle meine Erfahrungen natürlich kausal mit meinem Leben im Hier und Jetzt verbunden, weshalb ich im Grunde für alles, was ich erlebt habe, dankbar bin. Die Zeit zurückdrehen möchte ich nun wirklich nicht. Nein, in jener Zeit, von welcher ich auf „Schnitzereien auf einer Parkbank“ spreche, habe ich mich oft viel zu sehr von all meinen Gefühlen mitreißen lassen, während ich da heute doch zum Glück ein bisschen gechillter bin.

Du nimmst die Rap-Szene nicht immer ganz so ernst. Das merkt man, wenn man sich das Video zum Song „Als ob Modus“ anschaut.

Nic Knatterton: Ja, merkt man das tatsächlich? Ich stelle immer wieder fest, wenn ich mir das Video anschaue, dass ich mich zunächst einmal selbst nicht ganz so ernst nehme. Wobei ich hier natürlich auch symbolisch für einen Schlag Mensch mit einer Art Doppelmoral stehe: Einen Menschen, der das Leid der Welt sehr kritisch betrachtet und gleichzeitig selber in Saus und Braus lebt. Eben jemanden, der das Leid in der Welt zwar sieht, aber trotz allem so tut, als ob das Leben ein Ponyhof sei. Dass ich hierfür stilistisch auf Methoden der Mainstream-Rapszene, die ja bekanntlich auch nur ein Spiegel der Gesellschaft sein soll, zurückgreife, ist somit eher Mittel zum Zweck.

Welcher Song auf dem aktuellen Album repräsentiert dich als Künstler am besten wieder?

Nic Knatterton: Rückblickend empfinde ich den Titelsong „Schnitzereien auf einer Parkbank“ schon irgendwie als meine eigene Königsdisziplin. Während der Song einerseits inhaltlich wirklich sehr persönlich ist und sich von Strophe zu Strophe immer mehr dem Kern nähert, habe ich hier andererseits auch reim- und flowtechnisch ganz neue Wege betreten. Außerdem wird bei diesem Song, sowie bei dem Song „Kater“, quasi der Bogen zu unserer Live-Performance geschlagen. Gitarre und Backgroundgesang sind hier nämlich von dem virtuosen Tobi von unserer „Marmeladenfabrik“.

Du warst früher Mitglied der Anti-Alles-Aktion (heutige Antilopengang). Denkst du, dass aktuell politische Statements in der Rap-Szene zu kurz kommen?

Nic Knatterton: Im Zuge der Promo-Arbeit für die „Schnitzereien“ habe ich nochmal mit meinem alten Homie Lea-Won aus München diskutiert, der damals auch Teil der Anti-Alles-Aktion war. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es wichtig ist zu betonen, dass wir keine wirkliche Crew waren, sondern eher ein loser Zusammenschluss verschiedener Künstler, die ein paar Jahre lang zusammen Musik gemacht und Konzerte gespielt haben. Das alles war sozusagen die Emanzipation aus der Hip-Hop-Partisan Zeit. Insbesondere mit Tobi, Panik Panzer, war ich ein paar Jahre sehr gut befreundet und er war mein Back-up. Ich habe ehrlich gesagt nicht das Gefühl, dass politische Statements zurzeit zu kurz kommen im deutschsprachigen Rap. Politische Statements nur um des Statements willen sind oft musikalisch recht langweilig. Ich finde es sinnvoller kreative Musik zu machen, die dann vielleicht darüber hinaus oder eher sogar noch zwischen den Zeilen ein Statement setzt. Leute wie Edgar Wasser, Fatoni, Juse Ju, Lea-Won oder eben auch die Antilopengang zeigen ja, dass sowas möglich ist.

Du tourst seit 20 Jahren durch die Welt mit deiner Musik. Wird es demnächst wieder Live-Dates geben?

Nic Knatterton: Da soeben Johannas und mein fünftes Kind geboren ist, steht gerade die Familie im Vordergrund. Dennoch werde ich am 25. August 2019 ein kleines Konzert beim „Trödel unter dem Adler“ in Köln spielen. Ab Herbst dürfte es dann wieder ein paar mehr Konzerte von „Nic Knatterton & die Marmeladenfabrik“ geben.

Die letzten Worte gehören deiner Familie: Wie würden sie dich in drei Worten beschreiben?

Nic Knatterton: Ich habe meine Kinder befragt und zumindest die, die bereits der deutschen Sprache mächtig sind, meinen ich sei ein toller Spielkamerad, grundlegend philosophisch und ein guter Meditierer. Wie auch immer das alles genau gemeint sein soll.

Das Album „Schnitzereien auf einer Parkbank“ ist ab sofort auf allen digitalen Download- und Streamingplattformen erhältlich.

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Mareen Eichinger | macheete
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