Berliner Rapper Säv im Interview über sich und die Rap-Szene

Erst vor kurzem veröffentlichte SÄV sein Album „Ich will dein Vater sein“. Zum gleichnamigen Titelsong feierte das Musikvideo am 10. Mai 2021 Premiere. Im Interview hat uns SÄV nun erzählt, wie er schon in jungen Jahren gefallen an Wortspielen fand. Bei ihm sind alle Gedanken erlaubt und er lässt sich von seinen Ideen immer wieder in neue Richtungen lenken. Im Ganzen scheint nicht immer alles logisch, aber wenn die einzelnen Zeilen und Worte begriffen werden, macht alles einen Sinn. Wir haben mit dem Berliner Rapper auch über seine Musik und seine Pläne für die Zukunft gesprochen. Gerne stellen wir euch das Interview lizenzfrei zur Verfügung.

Seit fast 25 Jahren bist du schon im Rap-Business unterwegs. Wie bist du damals zur Musik gekommen?

SÄV: Mein Bruder war und ist ein großer Hip-Hop-Fanatiker, hat Graffiti gesprüht und hatte eine riesige Plattensammlung. Da wurde mir der Weg schon vorgezeichnet. Gemeinsam mit meinen beiden Brüdern hatte ich meinen ersten „Rap-Auftritt“ mit 9 Jahren bei einem Familienfest, und das Spiel mit den Worten fand ich sofort Wahnsinn. Die Sache mit dem Flow hat allerdings ein bisschen gedauert.

In dem viertel Jahrhundert hast du bestimmt einiges an Veränderungen miterlebt. Wie würdest du die Entwicklung jemandem beschreiben, der keine Ahnung von der Rap-Szene hat?

SÄV: Ich habe die Rap-Szene in Deutschland relativ lang als einigermaßen zusammenhängend erlebt, gerade in der Zeit, in der nette Mittelklasse-Jungs aus Hamburg und Stuttgart das Heft in der Hand hatten. Dann kam die große Asi-Klatsche aus Berlin mit „Lutsch meinen Schwanz“ und einem neuen aggressiven Ton, der frischen Wind gebracht hat – was in der Folge allerdings zu einer längeren künstlerischen Verflachung des deutschen Raps beigetragen kann. Da waren schon ein paar langweilige Jahre mit stumpfem Rumgepose dabei. Inzwischen ist es mit dem Rap wie mit der Gesellschaft: Durch Internet und Filterblasen haben sich recht unterschiedliche Strömungen und Communities herausgebildet, die nicht mehr viel miteinander zu tun haben, aber auf ihre Art zum Glück wieder zunehmend innovative und freshe Sachen für das jeweilige Publikum rausbringen. Damit ist neuer Schwung zurückgekommen.

Was hältst du persönlich von der Entwicklung des HipHops/Raps in den letzten Jahren?

SÄV: Mir geht es wie Eins Zwo: „Ich mach zwar welchen, aber hör keinen deutschen Rap / Und falls ich’s doch mal tu, geh ich nur enttäuscht ins Bett.“ Musikalisch sprechen mich andere Musikrichtungen mittlerweile mehr an. Aber das gute alte Spiel mit den Worten, das hat’s immer noch in sich! Ehrlicherweise höre ich heute meistens Rapper, die auch nicht mehr ganz so jung sind, aber vielleicht muss ich mich auch noch mal tiefer in den neuesten Scheiß reingraben. Ok, versprochen, mach ich!

Mit „Ich will dein Vater sein“ hast du dein neustes Album veröffentlicht. Was war die Inspiration dazu?

SÄV: Inspiration? Mein Kopf ist wie der von allen anderen, er labert den ganzen Tag vor sich hin und kann nicht mal für zwei Minuten seine Fresse halten. Also kann man ja zumindest versuchen, irgendetwas Sinnvolles und Bleibendes aus dem Gedankenstrom herauszusaugen. Rap als aggressive und konfrontative Kunstform gibt mir die Möglichkeit, einfach Sachen rauszuhauen – auch Widersprüche und Dinge, die keinen logischen Sinn machen oder sozial nicht erwünscht sind. Man darf ja heutzutage nicht mal mehr bei einem Treffen mit Freunden gepflegt über Randgruppen hetzen – dann wenigstens Rap!

Das ist natürlich nur ein Spaß. Ich respektiere alle Minderheiten, auch jene in meinem Kopf.

Vor Kurzem ist auch das Musikvideo zum Titelsong erschienen, indem du in unterschiedliche Rollen schlüpfst. Was war die Idee dahinter?

SÄV: Viele Frauen stehen heutzutage fest mit beiden Füßen im Leben, und das ist irgendwie auch gut so. Umso drängender ist die Frage, wie man als Mann seiner Frau mehr sein kann als ein nutzloser Fußabtreter, ein schmächtig zurechtgestutztes Käfig-Äffchen oder ein stumpfer Kartoffelsack. Es gibt doch so viele unterschiedliche Möglichkeiten, eine Frau zu dominieren, und eine ist zärtlicher und verletzlicher als die andere. Man will seiner Frau ja nicht nur Mann sein, sondern auch Freund, Bruder und Mutter. Und natürlich Vater, klar. Da die eigenen Eltern inzwischen oft aus dem Haus sind, bin ich gern bereit, diese Rolle zu übernehmen.

Deine Songs haben oft unterschiedliche Ebenen und hinter jedem Wort versteckt sich eine tiefere Bedeutung. Wie sieht denn der Entstehungsprozess bei einem deiner Songs oder bei deinem Album aus?

SÄV: Ich habe meistens eine brillante Grundidee und einen genauen Plan, wo ich hinmuss, fange dann an zu schreiben und merke, dass es gar nicht funktioniert und dass sich die dunkle Seite meines Kopfes zunehmend in den Vordergrund drängt, das Ruder übernimmt und das Schiff ganz woanders hinsteuert. Wenn ich Glück habe, scheint an diesem neuen Ort zumindest noch ein einzelner verlorener Lichtstrahl durch die Wolken aufs Meer, bevor eine neue Tsunami-Welle kommt und mit einer letzten Punchline alles Leben vernichtet.

Wie sieht deine musikalische Zukunft aus? Hast du schon neue Songs in der Pipeline?

SÄV: Meine Pipeline ist wie Nordstream 2: Eigentlich eine gute Idee, um billig an russisches Gas zu kommen, aber genau deshalb von Amerika und Polen heftig kritisiert. In meinem Falle sind Amerika und Polen das restliche Leben, das Schwierigkeiten hat, die Vorherrschaft des Raps zu akzeptieren. Insofern mache ich wahrscheinlich erst mal neunzehn weitere Videos zum Album, und dann gucken wir mal. Sprich: Da kommt was ganz Großes, watch out!

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